Leseprobe
Eine ungewöhnliche Begegnung
(aus dem 1. Kapitel)
© 2014 Thomas Eich-Verlag, Werlenbach
Alle Rechte vorbehalten
An jenem Vormittag tauchte Er plötzlich auf.
Nach der Morgenmeditation hatte ich mich wie gewohnt an den Schreibtisch begeben, um einige Post zu erledigen. Ich war gerade dabei, den ersten Brief zu öffnen, als er plötzlich vor mir stand.
Er – Christus.
Ich war wie vom Donner gerührt. Eine Gänsehaut rieselte über meinen ganzen Körper. Ehrfurcht und Erstaunen mischten sich mit intensiver Freude. Atemberaubend präsent, äußerst lebendig und ohne jeden Heiligenschein stand Christus da und blickte mich an. Während ich ihn anstarrte, spürte ich plötzlich, wie eine unendlich liebevolle Kraft begann, mich von Kopf bis Fuß einzuhüllen. Es war eine Liebe, die jede Zelle und jede Faser meines gesamten Seins durchdrang, mich ganz und gar einhüllte.
Ich fühlte mich so zutiefst geliebt wie noch niemals zuvor in meinem Leben. Die Intensität und Zärtlichkeit dieser Liebe zu beschreiben liegt jenseits aller Worte. Tränen der Rührung, Erleichterung und Freude liefen über mein Gesicht.
Aus tiefster Dankbarkeit übergab ich ihm spontan mein gesamtes Leben – ich legte es wie ein Bündel in seine Hände: meinen Körper, die Gedanken und Gefühle, alle meine Fähigkeiten und Talente, jede Faser meines Seins. Ich wollte nicht mehr selbst bestimmen.
Wie sehr hatte ich solch einen erlösenden Moment herbeigesehnt. Jahrelang hatte ich unter dem quälenden Gefühl der Getrenntheit vom Göttlichen Ursprung gelitten. Es war ein tiefer innerer Schmerz, begleitet von einer wachsenden, intensiven Sehnsucht nach der Quelle. Die Erscheinung von Christus, so verblüffend und unerwartet sie auch war, hatte deshalb für mich etwas zutiefst Erlösendes.
Lächelnd gab mir Christus das ›Bündel‹ zurück.
»Warum?«, fragte ich verdutzt.
»Jetzt ist es gesegnet«, antwortete er.
Ich atmete ein paar Mal tief durch und spürte, wie eine ungewohnte, stärkende Kraft in meinen Körper strömte. Andererseits … bildete ich mir das Ganze vielleicht nur ein? Entsprang die Begegnung mit Christus womöglich meinem Wunschdenken? Schließlich, wie konnte etwas so Großartiges ausgerechnet mir widerfahren?
»Woher weiß ich, dass du wirklich bist und mir nicht nur mein Verstand etwas vorgaukelt?«, fragte ich Christus.
»Sieh in meine Augen«, forderte er mich auf. Und in dem Moment, als ich in seine Augen blickte, sah ich ein intensives, strahlend helles Licht, das von ihm ausgehend wie ein Strahl direkt in mein Herz leuchtete. Dieses magische Licht berührte mich unsagbar tief und löschte alle Zweifel restlos aus.
»Du wirst unendlich geliebt«, fuhr Christus fort. »Diese grenzenlose Liebe ist jenseits deiner Vorstellung, sie ist ein vollkommenes, hundertprozentiges Angenommen-Sein, so wie du bist.«
So begann unsere erste Unterhaltung. Seine Gegenwart war für mich so real und lebendig wie die Begegnung mit einem anderen Menschen. Ich sah seine herrliche, kraftvolle, schöne Gestalt, seine klaren, durchdringenden Augen, spürte seine warmherzige Ausstrahlung und hörte seine Worte. Es war eine atemberaubende Erfahrung.
Wir sprachen über vieles. Einige Monate zuvor war ich erkrankt und hatte meine bisherige berufliche Tätigkeit aufgeben müssen. Ich vertrug nur noch wenige Nahrungsmittel, war abgemagert und fühlte mich elend und erschöpft. Bislang hatte ich meine stets robuste Gesundheit als etwas Selbstverständliches hingenommen. Doch nun hatte das Kranksein meine Welt erschüttert. Ich war verzweifelt und wusste nicht mehr weiter.
Christus, der meine Gedanken mitverfolgt hatte, lächelte mitfühlend.
»Was kann ich denn noch tun, außer mein Leben in deine Hände zu legen?«, wollte ich wissen.
»Vertrauen«, antwortete er. »Die gesamte Situation in die Hand Gottes legen, wissend, dass alles gut wird.«
Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Gott ist in allem, auch in deiner Krankheit, du siehst es nur nicht.«
»Kannst du mir helfen, Gott in allem zu sehen?«, bat ich.
Einige Sekunden der Stille folgten, dann erwiderte Christus: »Ich werde dir helfen. Es gibt nichts, wo Gott nicht ist. Doch indem du etwas ablehnst, verschließt sich dir die Erkenntnis, die göttliche Gnade darin zu entdecken. Willkommen-Heißen ist der Weg. Das, was ist, ist ja ohnehin bereits da. Nimm es an, gib dich hin. Dann bleibst du im Strom, sodass Gott dich lenken kann und du es auch fühlst!«
Erleichtert gab ich zurück: »Ich glaube, ich habe lange auf diesen Moment gewartet. Das ist so wundervoll, dass ich mit dir über alles reden kann.«
»Warum sollte das nicht möglich sein?«, entgegnete Christus ruhig.
»Na ja, ich dachte nicht, dass es so einfach geht«, gab ich zu.
»Klopfe, und dir wird aufgetan«, bemerkte er.